Sonntag, 9. Juni 2013

Mucho trabajo – Viel Arbeit

Es ist Sonntag. Juchhe. Ausruhen. Entspannen. Nichtstun. Nur auf unseren brandneuen Stühlen sitzen (ungewohnt hoch über dem Boden=O) und euch wissen lassen, wie es uns in den letzten Tagen hier so ergangen ist. Und da gibt es wieder soviel zu erzählen, dass ich gar nicht weiss, wo ich anfangen soll...

 
Die vergangene Woche bei Chance stand für uns ganz im Zeichen der Beutelproduktion. Insgesamt 100 Baumwollbeutel (mit 200 Henkeln) nähten wir teils gemeinsam mit den Kids von „San Luis“ und „Ingenio Bajo“, bedruckten sie mit den Logos von Chance Peru und Padrinazgo (ihr erinnert euch das Patenschaftsprogramm innerhalb von Chance) und einer Blume für die Mädchen und einem Baum für die Jungen (wobei das dann letztendlich - bloß gut - nicht so strikt gehandhabt wurde).
Die Kids durften dann ausmalen...Mich (Sarah) ärgerte ein wenig, dass der Kreativität der Kinder so wenig Raum gelassen wurde, aber Vorgaben scheinen in der peruanischen Kultur allgemein üblicher als in Deutschland zu sein. Als ich meinem Blümchen-Beutel noch Schmetterling und Käfer und Sonne verpasste, griffen einige Kinder dies in genau der gleichen Machart auf, entwickelten jedoch, bis auf wenige Ausnahmen, keine eigenen Ideen, die darüber hinaus gingen. Vorgaben und Freiräume scheinen noch ein Lernfeld für uns alle zu sein =O) Die fertig gestellten Beutel (siehe stolzer Falko*zwinker*) haben wir dann am 05.06. dem weltweiten Tag der Umwelt verkauft und verschenkt, wobei das eingenommen Geld den Padrinazgo-Kids zugute kommen soll. Die Atmosphäre bei den „Produktions-Workshops“ ist meistens bunt und chaotisch, da viele Kinder auf wenig Raum durcheinanderwirbeln.
Das sieht dann ungefähr so aus: Inmitten des Gewusels mitmalend, antwortend, schlichtend Kathy, die Psychologin, die nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen ist. Falko „Señor Jack“ reanimierend, den die Kinder fasziniert und gleichzeitig um ihre Finger besorgt bedienen lernen, um die Beutel fachgerecht zusammenzunähen. Ich (Sarah) an „Señora Siruba“ assistierend mit einem der älteren Mädels, das mehr oder weniger verzweifelt versucht eine gerade Naht hinzubekommen und das Fußpedal möglichst gefühlvoll zu bedienen (ihr erinnert euch...*schwidd* und schon biste durch....).

Außerdem wurde in der vergangenen Woche das monatliche Patenschaftsgeld an die Kids verteilt.  Die Vorbereitung dessen gestaltete sich ziemlich aufwendig, da für jedes Kind ein anderer Betrag rausgegeben wird, je nachdem was die Paten in Deutschland überweisen (sogar die Zwillinge bekommen unterscheidliche Beträge, obwohl sie von derselben deutschen Familie unterstützt werden). Daneben ging uns ständig das Kleingeld aus und zwischen den ganzen Zehn-Soles-Scheinen versteckte sich auch noch ein kaputter, den wir dann noch in allen umweltfreundlich aus Schmierpapier gefalteten Tütchen finden mussten. Nach einigem verzweifelten Suchen stellte sich heraus, dass Kathy ihn bereits in ihrem Geldbeutel sichergestellt hatte *grins*. Die Kinder schreiben auch mehr oder weniger regelmäßig an ihre Paten und wir hatten (und haben) die Ehre diese an die hundert Briefe zu übersetzen, wobei sich das Entziffern der Schrift oft schwieriger gestaltet, als die eigentliche Übersetzung in die deutsche Sprache.

Diese Woche waren wir bis zum 05.06., dem weltweiten Tag der Umwelt - „Dia mundial de la media ambiente“ - mit dessen vielfältigen Vorbereitung beschäftigt. Wir bastelten Banner, Sarah bereitete Spiele vor, Delhi kümmerte sich um Avocado- und Tara-Pflanzen (eine Kaffeeart) aus Ingenio Bajo, die wir zu einem symbolischen Preis verkauften. Und dann natürlich noch die Stoffbeutel, die es zu gewinnen und zu verkaufen gab. Falko war die Tage vorher gemeinsam mit Kathy im Gefängnis.
Nein, er hatte nichts ausgefressen. Wir besorgten nur Sachen, die die Insassen herstellen, damit wir sie ebenfalls an unserem Stand mit verkaufen konnten und so den Gefangenen zu helfen, sich auf eine sinnvolle Tätigkeit zu konzentrieren, die vielleicht nach der Entlassung in ein Geschäft mündet. Es wird in diesem Gefängnis (penal) viel hergestellt: bei den Männern (insgesamt ca. 1800 Männer) gibt es eine große Schreinerei, eine Schusterei und viele kleinere Gegenstände (Schlüsselanhänger etc.) und auch einige, die nähen. Ebenso basteln sie viele Sachen aus Abfall, z.b. versuchen sie Zeitungen zusammenzurollen und zu lackieren und daraus etwas zu basteln. Wir haben ein Schiff bekommen, wo der gesamte Rumpf aus diesem recycelten Material war und die Segel teilweise aus alten Röntgenaufnahmen. Die Frauen (ca. 300) haben „nur“ eine Näherei und nähen fast ausschließlich mit viel Aufwand und Liebe zum Detail Kuscheltiere.


Der ganze Betrieb und die Abläufe im Gefängnis waren für mich (Falko) ziemlich interessant. Man bekommt alle seine Sachen abgenommen, nicht mal seinen Reisepass kann man behalten und dann werden einem allerlei Stempel auf den Unterarm gedrückt. Es gestaltete sich ein wenig langatmig, die Erlaubnis zu erhalten, die Sachen überhaupt mitnehmen zu dürfen und dann noch einen Transporter zu bekommen. Erstmal mussten wir uns bis zum Direktor durchfragen, und dann musste dies alles noch an jeden Dienstposten weiter gegeben werden. Und dann muss man natürlich warten, warten, warten... Letztendlich haben wir mehrere Kisten voll bekommen, verkauft haben wir jedoch leider nicht so viel :( schade
An einem Tag habe ich (Falko) gemeinsam mit unserer Psychologin Kathy auch einen „Workshop“ mit jungen Gefangenen durchgeführt. Jung heißt in dem Fall 18 bis ca. 25 Jahre, es waren insgesamt mehr als 50 Personen! Dies wird jetzt, soweit ich mitbekommen habe, zweimal im Monat angeboten. Sicherlich werden wir da auch Verantwortung mit übernehmen können bzw. ein eigenes Thema/Workshop anbieten können :)

Die Spiele, welche ich (Sarah) gemeinsam mit Jackie durchführte, lockten einige neugierige Passanten an,
umso mehr, wenn sich wieder gerade eine Mannschaft durch die 4 Stationen zur Schulung des Umweltbewusstseins kämpften. Bei der ersten Station ging es darum, dass man aus Müll ganz einfach tolle Sachen basteln kann. Bemalte und mit ein wenig Sand befüllte Plastikflaschen wurden zu Kegeln umfunktioniert, die es umzuwerfen galt. Bei der zweiten Station sollte sich jeder Mitspieler Gedanken darüber machen, was er oder sie ganz konkret tun kann, um die Umwelt zu schützen. Diese Gedanken wurden auf einem grünen Blatt notiert und an einen symbolischen Baum geheftet. Bei der dritten Station wurde gezeigt, wie Mülltrennung funktioniert und anorganischer wie auch organischer Müll und Batterien in eine entsprechende Tonne geworfen. Müllentsorgung ist ein großes Problem hier in Huánuco. Wir haben öfters gesehen wie volle Plastikbeutel einfach in den Fluss geworfen werden, auf die Straße sowieso und Mülltrennung...spielt selbst unter Leuten, die es eigentlich besser wissen müssten nur eine geringe Rolle. Dieses Thema werden wir noch weiter verfolgen und haben uns vorgenommen bei der Municipalidad (dem Rathaus) nachzufragen, wo der Müll eigentlich hinkommt und was damit passiert.
Diese Frage konnte uns nämlich noch keiner zufriedenstellend beantworten. Wir wissen bisher lediglich, dass recycelbarer Müll nach Lima transportiert wird und der Rest in ein Dorf gefahren wird, wo sich ein riesiges Müllloch befindet und dort reingeschüttet wird. Bei der vierten Station wurden Fragen zur Umwelt gestellt, wie z. B. warum es wichtig ist, Wasser nicht zu verunreinigen oder wie lange eine Plastiktüte braucht um abgebaut zu werden. Einige Leute gerieten ins Nachdenken und wir hoffen sehr, dass wir einige Impulse setzen konnten, vielleicht zwei oder drei der über 50 Mitspieler in Zukunft ihre Batterien nicht mehr in den Fluss werfen, sondern in den Supermarkt zum Sondermüll bringen und viele ihre als Preise verteilten Baumwollbeutel zum Brötchen kaufen nutzen.

Wir haben auch teilweise ein kleines Haustier (wenn man von den Ameisen und Kakerlaken mal absieht...). Douglas  ist ein sehr aufgeschlossener kleiner Hund, der einer Nachbarin von Kathy gehört, aber sehr oft auf den Straßen herumstromert. Kathy hatte ihn auch mal mit im Büro, da er ihr gefolgt ist und sich auch nicht abwimmeln ließ. Eines Morgens trafen wir ihn auf unserem Weg zu Chance und er lief uns einfach hinterher. Seitdem treffen wir ihn öfters und er schließt sich uns gerne an :) nicht zuletzt wegen des Hundefutters, dass ich (Sarah) immer in der Tasche habe, um die Hunde in San Luis freundlicher zu stimmen. (Jetzt müssen sie nur noch lernen, geworfenens Hundefutter von geworfenen Steinen zu unterscheiden...)Wir haben auch schon andere Leute getroffen, die Douglas sehr gut kennen. Anscheinend liebt er das Leben auf der Straße, obwohl er auch gern im Büro neben der Nähmaschine schlummert oder mit bettelndem Blick unsere Frühstücksaktivitäten auf der Terrasse verfolgt.


Am kommenden Montag – also morgen – ist der 8. Geburtstag von Chance. Dazu haben wir eine Aula einer Schule angemietet, wieder Banner gemalt, und biblische Theaterstücke einstudiert. Solche „teatros“ sind hier ziemlich beliebt und werden häufig zu festlichen Anlässen aufgeführt, vergleichbar mit Anspielen, die vllt. ein paar Minuten dauern. Insgesamt wird es morgen dann vier davon geben! Die Kinder von San Luis haben zwei einstudiert, die Kinder von Ingenio eins & noch ein Lied und dann gibt es auch noch ein Anspiel von uns Mitarbeitern. Letzteres zu einem Lied der „Casting Crowns“ („Set me free“), aber auf spanisch (also „Libérame“). Falko spielt Jesus, Sarah spielt den Teufel. Wir werden mal versuchen das aufzunehmen und auf den Blog zu stellen.

In unserer Gemeinde wurden wir jetzt von Francisca, die auf dem Markt frisch gepresste Säfte verkauft (und uns schon öfter großzügig damit versorgte...hm...so lecker...), zu einem Hauskreis eingeladen. Auf Spanisch heißt das hier 'célula' (Zelle) oder 'altar' (Altar). Wir waren letzten Samstag mit bei ihr zuhause und haben auch mit ihr am Sonntag gekocht und Kuchen gebacken. Aber wir haben gemerkt, dass uns ein Hauskreis momentan zeitlich überfordert. Sind z.Zt. einfach zuviele Aktivitäten in der Woche, so dass wir ihr (vorerst) absagen mussten. In einigen Wochen, wenn wir uns vollends in unserer Wohnung eingerichtet haben, werden wir dann mit dabei sein.
Auch gehören wir jetzt mehr oder weniger zum Lobpreisteam unserer Gemeinde, wir waren bei den zwei letzten Probestunden dabei und Sarah wird heute abend auch schon mitsingen. Ich (Falko) als Gitarrenspieler brauche noch einige Zeit, um mich an die Lieder, den Rhythmus und die Akkorde zu gewöhnen. Hier gibt es nicht C, D oder Am, sondern Mi, La, Sol etc. was im Grunde das Gleiche ist, aber einen anderen Namen hat. Einige Lieder kennen wir auch auf englisch oder deutsch, die in unserer Gemeinde aber auf spanisch gesungen gesungen werden. So z.B. „Herr, öffne du mir die Augen“ oder „Komm, jetzt ist die Zeit, wir beten an“.

Wir haben uns daran gewöhnt

-kalt zu duschen,

-auf der Straße als „gringos“ wahrgenommen zu werden,

-in Geschäften mehrmals zu sagen, dass wir keine Plastikbeutel möchten, da wir sonst doch einen bekommen,

-nicht in die Löcher auf dem Fußweg zu fallen,

-dass unser Vegetarierdasein nicht verstanden wird, auch wenn wir es hinreichend erklären,

-Schränke etc. nach Kakerlaken abzusuchen, bevor wir sie in unser Zimmer tragen,

-unser Frühstück und Abendbrot auf dem Boden einzunehmen (ab heute nicht mehr!),

-als Brotbelag Avocado, Salz und Ingwer (gemeinsam) oder Banane, Honig und Ingwer zu haben *lecker*,

-unsere Wäsche mit der Hand zu waschen,

-das benutzte Klopapier nicht ins Klo zu werfen (große Verstopfungsgefahr!)

-auf die Melodie des Müllabfuhrwagen zu hören, damit wir sie ja nicht verpassen und notfalls hinterherzurennen,

-obwohl in der Stadt wohnen, frühs mehrere Hähne krähen zu hören und

-andauernd auf der Strasse Hupen der Autos und Mototaxis zu hören (man hupt z.b. als Taxi, wenn man noch Mitfahrer sucht...)

Viele liebe Segensgruesse aus Peru!
Herzlichen Dank fuer eure Unterstuetzung